Wie die Exkremente von Vampirfledermäusen eine Gemeinschaft von Höhlenorganismen ernähren.
Die lichtlosen Bedingungen in Höhlen stellen für Lebewesen eine große Herausforderung dar. Die auf Sonnenlicht angewiesenen Pflanzen, welche die Nahrungsgrundlage der meisten anderen Organismen bilden, können in Höhlen nämlich nicht gedeihen. Daher sind Höhlenbewohner auf Nahrung angewiesen, die von außen in die Höhle gelangt. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Mit Wasser, welches sich seine Wege in die dunklen Höhlengänge bahnt, können kleine Mengen gelöster Substanzen herein gelangen und in der Höhle lebenden Bakterien als Nahrungsquelle dienen. Sofern größere Zugänge zur Außenwelt existieren, können organische Substanzen auch in Form von Laub oder durch das Hereinfallen von Lebewesen in die karge Unterwelt gelangen. Pflanzenmaterial und Kadaver können anderen Organismen dann als Nahrung dienen. Auch Fledermäuse, die oft in Höhlen Unterschlupf suchen, bringen Nährstoffe mit sich. Vor allem durch ihren Kot. Sich zersetzende Exkremente sind reich an Bakterien und Pilzen, welche wiederum die Nahrungsgrundlage anderer Höhlenorganismen bilden können. Doch wie sehen solche Lebensgemeinschaften im Einzelnen aus und wie stark sind die verschiedenen Höhlenbewohner aufeinander angewiesen?
Brasilianische Wissenschaftler um Simone S. Salgado erforschten dies am Beispiel der von zahlreichen Fledermäusen bewohnten Höhle „Gruta Labirinto da Lama“ in Zentral-Brasilien. In ihrer, in der Fachzeitschrift Austral Ecology veröffentlichten, Studie untersuchten sie stabile Stickstoff- und Kohlenstoffisotope in den Körpern verschiedener Höhlenbewohner. Isotope sind unterschiedliche Varianten von Atomen eines chemischen Elements, die sich in der Zahl ihrer Neutronen und damit in ihrer Masse unterscheiden. Lebewesen nehmen die verschiedenen Isotope in einem bestimmten Verhältnis zu sich, welches sich je nach Nahrung unterscheidet. Die aufgenommenen Isotope werden dann in den eigenen Körper integriert oder wieder ausgeschieden. Durch das Isotopenverhältnis in Körper und Exkrementen lässt sich daher feststellen, wovon sich ein Organismus ernährt hat.
Die „Gruta Labirinto da Lama“-Höhle besitzt einen sehr engen Zugang und erstreckt sich über insgesamt 266 Meter lange labyrinthische Gänge. Auf dem lichtlosen Boden der Höhle fanden die Forscher den Kot des Gemeinen Vampirs (Desmodus rotundus), einer Blut trinkenden Fledermausart. Sie nahmen von dem Kot Proben und sammelten darauf herumkrabbelnde Insekten und Spinnen sowie Blätter ein, die sie in der Nähe des Zugangs gefunden hatten. Im Labor untersuchten sie anschließend die Stickstoff- und Kohlenstoffisotope in ihren Proben.
Die Forscher fanden in der Höhle langbeinige Heuschrecken aus der Familie Phalangopsidae (Endecous sp.), Spinnen der Art Isoctenus coxalis (Ctenidae) und auf dem Boden krabbelnde Schaben aus den Familien Blattelidae und Blattidae; zu letzterer Familie gehört auch die Gemeine Küchenschabe (Blatta orientalis). Die Analyse der Isotopenverhältnisse zeigte, dass der sich zersetzende Kot der Vampirfledermäuse sowohl den Heuschrecken als auch den Schaben als Nahrungsgrundlage diente. Der Kot war allerdings nicht ihre einzige Nahrungsquelle. Auch die von außen hereinfallenden Blätter wurden von den Insekten verzehrt. Die Spinnen in der Höhle ernährten sich wiederum von den Schaben und Heuschrecken, welche sie in der Dunkelheit jagten. Die Vampirfledermäuse der südamerikanischen „Gruta Labirinto da Lama“-Höhle schaffen mit ihrem Kot somit eine Grundlage für das Überleben einer ganzen Gemeinschaft von Höhlenorganismen.
Auch über die Ernährungsgewohnheiten der Fledermäuse selbst ließ sich einiges herausfinden. Der Kot der Vampirfledermäuse hatte nämlich ein Isotopenverhältnis, wie es für Gräser charakteristisch ist. In der Region um die Fledermaushöhle gibt es eine Reihe von Rinderfarmen mit großen Weideflächen. Anscheinend ernährten sich die Vampirfledermäuse vom Blut dieser Rinder, die wiederum Gras gefressen hatten und so das spezifische Isotopenverhältnis mit ihrem Blut an die Fledermäuse weitergaben.
Wie immer ein sehr schön geschriebener und interessanter Artikel. Man lernt nie aus, wie ihr immer wieder beweist. Weiter so. :-)