Ein Zufallsfund zeigt erstmals, dass Landschnecken an menschlichen Knochen fressen.
Eine menschliche Leiche ist für viele Tiere das reinste Festmahl. Vor allem Insekten, wie Fliegen und Käfer, sind dafür bekannt, Leichen zu besiedeln. Dabei erfüllen sie eine wichtige ökologische Funktion. Durch die Zersetzung von toten Körpern sorgen diese Tiere dafür, dass organische Stoffe in den Nährstoffkreislauf zurückgeführt werden. Von besonderem Interesse sind Besiedler von Leichen für die Kriminalistik. So können beispielsweise die Entwicklungsstadien von Insekten auf einem Leichnam Hinweise darauf geben, wieviel Zeit seit dem Eintritt des Todes vergangen ist. Während die Biologie der häufigsten Leichenbesiedler gut untersucht ist, weiß man über die Tiere, die nur ab und zu an Leichen zu finden sind, verhältnismäßig wenig.
Als Forscher um Malthus Fonseca Galvão an einer vergrabenen Leiche in Brasilien plötzlich winzige Schnecken fanden, waren sie sehr überrascht. Landlebende Schnecken waren als Leichenbesiedler bislang nämlich völlig unbekannt. Es handelte sich um Allopeas micra aus der Familie der Ahlenschnecken (Subulinidae). Den Fund beschrieben die Forscher in einer Studie, die im Journal of Forensic Sciences veröffentlicht wurde. Die Schnecken wurden zufällig entdeckt, als die Wissenschaftler einen Oberschenkelknochen aufsägten, um DNA-Proben zur Identifizierung der Leiche zu entnehmen. Die nur wenige Millimeter großen Tiere saßen in Hohlräumen des Knochens am vertrockneten Knochenmark und hatten sich offenbar davon ernährt. Insgesamt fanden die Forscher in dem Knochen zwanzig Schnecken. Allopeas micra ist eine in Amerika weit verbreitete Schneckenart. Allerdings ist nur wenig über ihre genaue Lebensweise bekannt, da sie, so die Forscher, wegen ihrer geringen Größe oft übersehen wird.
Die winzigen Schnecken können sich durch das Erdreich graben. Diese Fähigkeit half ihnen vermutlich, ihren Weg zu dem vergrabenen Leichnam zu finden. In den feinen Kanälen der Knochen fanden sie Unterschlupf und Nahrung. Laut den Wissenschaftlern eignet sich die Schneckenart bislang aber nicht zur Bestimmung der Liegezeit von Leichen, da insgesamt noch zu wenig über die Tiere bekannt ist.
Die DNA-Untersuchung des Knochenmaterials ergab übrigens, dass es sich bei der Leiche um einen vor fünf Jahren als vermisst gemeldeten Mann handelte. Er wurde Opfer eines Verbrechens und anschließend vergraben. Eine Wassergesellschaft stieß beim Verlegen neuer Leitungen zufällig auf den mittlerweile vollständig skelettierten Leichnam mit seinen ungewöhnlichen Untermietern.