Genetische Untersuchen zeigen, dass das Bakterium Yersinia pestis bereits Jahrtausende vor den großen Pestepidemien entstand.
Die Pest wütete im Laufe der Zeitgeschichte mehrfach verheerend und entvölkerte ganze Landstriche. Hervorgerufen wird die Krankheit durch das Stäbchenbakterium Yersinia pestis. Dieser Erreger kann per Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen werden. Effektiver verbreiten allerdings Flöhe, wie der Rattenfloh (Xenopsylla cheopis), auch Pestfloh genannt, die gefährliche Krankheit. Die Pestbakterien kommen in wildlebenden Populationen verschiedener Nagetiere vor. Saugt ein Rattenfloh pestinfiziertes Blut, beispielsweise von einer Ratte, verklumpen die Bakterien anschließend in seinem Magen, wodurch verhindert wird, dass der Floh bei seinem nächsten Wirt Blut aufnehmen kann. Bei wiederholten Versuchen Blut zu saugen, stößt er die Bakterien dann in die Bisswunde aus. Diese vermehren sich im neuen Wirt stark und sondern Gifte ab. Durch den Biss eines infizierten Rattenflohs kommt es zur sogenannten Beulenpest, bei der die Lymphknoten stark anschwellen und schmerzende Beulen bilden. Gelangen die Bakterien in großer Zahl in die Blutbahn, wenn beispielsweise Pestbeulen nach innen aufplatzen, kommt es zu einer Sepsis, die meist schnell mit dem Tod endet.
Allein der Schwarze Tod, die große Pestepidemie im Europa des 14. Jahrhunderts, hat geschätzte 25 Millionen Menschenleben gefordert. Verschiedene politische und wirtschaftliche Zusammenbrüche, wie das Ende der klassischen Zeit des antiken Griechenlands, sind vermutlich der hochansteckenden Infektion zuzuschreiben. Durch Aufzeichnungen sind die historischen Pestwellen gut dokumentiert. Doch wie alt das Bakterium Yersinia pestis ist und wie lange die Pest die Menschheit schon heimsucht, war bislang nicht bekannt. Die bisher ältesten Funde von Pestinfizierten sind rund 1500 Jahre alt; doch Wissenschaftler vermuten, dass der Ursprung des Bakteriums deutlich weiter zurückliegt.
In einer Studie, die in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht wurde, haben Forscher um Simon Rasmussen nun bronzezeitliche Skelette aus Asien und Europa untersucht. Aus den Zähnen konnten die Wissenschaftler DNA gewinnen. Sollten diese Menschen einst an der Pest erkrankt gewesen sein, sollte es möglich sein, noch genetische Spuren des Bakteriums zu finden. Und tatsächlich, bei sieben der 101 untersuchten Skelette, wurde DNA von Yersinia pestis gefunden. Mit einem Alter von rund 5000 Jahren (Datierung per Beschleuniger-Massenspektrometrie) gelang den Forschern dabei der bislang älteste direkte Nachweis des Erregers. Basierend auf DNA-Sequenzen rekonstruierten die Wissenschaftler einen Stammbaum der Pestbakterien. Dieser zeigte, dass Yersinia pestis nah mit dem weitaus weniger gefährlichen Bakterium Yersinia pseudotuberculosis verwandt ist. Dies war bereits aus anderen Studien bekannt, aber der Stammbaum zeigte den Forschern nicht nur den Grad der Verwandtschaft der Bakterien an, sondern gab auch Hinweise auf das Alter des Pesterregers.
Dafür nutzten die Wissenschaftler eine als „molekulare Uhr“ bezeichnete Methode, welche die Datierung von Evolutionsereignissen ermöglicht. Im Laufe zahlloser Generationen reichern sich im Erbgut nach und nach zufällige Mutationen an. Je länger der Zeitpunkt zurückliegt, an dem sich zwei Abstammungslinien voneinander getrennt haben, desto mehr unterschiedliche Mutationen weisen sie auf. Ist die Rate bekannt, mit der sich Mutationen anreichern, lässt sich umgekehrt also der Zeitpunkt abschätzen, an dem sich die Linien getrennt haben. Die Forscher ermittelten die Rate ihrer molekularen Uhr anhand der DNA-Sequenzen von Pesterregern verschiedenen Alters. So konnten sie errechnen, dass sich die Abstammungslinien von Yersinia pestis und Yersinia pseudotuberculosis mit 95%iger Wahrscheinlichkeit vor 34.659 bis 78.803 Jahren voneinander trennten. Andere Forscher gingen bislang von einem deutlich geringeren Alter aus.
Um wichtige Schritte in der Evolution von Yersinia pestis nachvollziehen zu können, verglichen die Forscher bestimmte Gene in den verschieden alten Bakterien. Unter anderem wurden 55 Gene untersucht, die den Erreger so aggressiv und erfolgreich in der Verbreitung machen. Bei den Bakterien aus den bronzezeitlichen Skeletten fanden sich bereits alle dieser Gene, bis auf das ymt-Gen (Yersinia murine toxin). Bakterien, die dieses Gen tragen, sind im Darm von Flöhen besser geschützt. Weiterhin bewirkt es, dass sich die Bakterien in den Flöhen stark vermehren können und es zu einer wirksamen Übertragung der Erkrankung kommt. Dieses Gen macht es dem Pestbakterium somit erst möglich, Flöhe für seine Ausbreitung zu nutzen. Die Forscher konnten anhand der untersuchten Bakterien recht genau eingrenzen, wann das entscheidende Gen entstand. So war es vermutlich vor 1686 v. Chr. noch nicht vorhanden, während es nach 951 v. Chr. bereits weit verbreitet war. Das bedeutet, dass das Pestbakterium in der frühen Bronzezeit sehr wahrscheinlich noch nicht durch Flöhe übertragen wurde. Yersinia pestis entwickelte sich demnach lange vor den großen Pestepidemien und wurde nach und nach von einem relativ harmlosen Bakterium zu einem der gefährlichsten Erreger des Menschen.