Eine neu entdeckte Wegwespenart aus China stapelt die Körper toter Ameisen in ihrem Nest.
Das Kinderzimmer mit sterblichen Überresten zu dekorieren, mag grotesk erscheinen, doch genau dies praktiziert eine unlängst entdeckte Art von Wegwespen. Sie schichtet tote Ameisen in dem Nest auf, in welchem sich ihre Nachkommen entwickeln.
Die Larven der Wegwespen (Pompilidae) ernähren sich von Spinnen. Um die Versorgung ihres Nachwuchses zu gewährleisten, nutzen die meisten Wegwespenarten eine gewiefte Strategie. Dabei überwältigt das Wegwespen-Weibchen eine Spinne und lähmt diese mit seinem Giftstachel. Anschließend bringt es den bewegungsunfähigen Achtbeiner in eine selbst gebaute Brutzelle. Dort legt das Weibchen ein einzelnes Ei auf sein Opfer und dichtet die Zelle anschließend ab. Wenn die Larve aus dem Ei schlüpft, frisst sie die lebendig eingemauerte Spinne nach und nach auf, bis sie sich schließlich verpuppt und in eine ausgewachsene Wegwespe verwandelt.
Auf der Suche nach in Röhren brütenden Wespen machten Forscher um Michael Staab im Südosten Chinas eine überraschende Beobachtung. Bei einigen Nestern, die aus mehreren Brutzellen mit jeweils einer gelähmten Spinne und einer Larve bestanden, war vor der ersten Brutzelle eine zusätzliche Kammer angelegt, in der sich bis zu 13 tote Ameisen befanden. So etwas war zuvor noch nie beschrieben worden. Die Forscher warteten ab, was aus diesen Nestern schlüpfen würde. Und tatsächlich kam eine zuvor unbekannte Art von Wegwespen zum Vorschein.
In der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichten die Forscher nun eine wissenschaftliche Beschreibung dieser Art. Sie gaben der schlanken, schwarzen Wegwespe den Namen Deuteragenia ossarium. Der Artname verweist dabei auf den lateinischen Begriff „Ossarium“, zu Deutsch „Beinhaus“, also einen Raum zur Aufbewahrung menschlicher Gebeine. Als englischen Namen für ihre Neuentdeckung schlugen die Forscher „Bone-house Wasp“ („Beinhaus-Wespe“) vor.
Doch warum legen diese Wegwespen Kammern mit Körpern toter Ameisen in ihren Nestern an? Ameisen besitzen wirkungsvolle chemische Abwehrstoffe, die auch nach dem Tod noch auf ihrer Körperoberfläche zu finden sind. Die Forscher vermuten, dass die Wegwespen den Geruch der toten Ameisen zur Tarnung nutzen, indem sie so den Eigengeruch ihrer Larven überdecken. Vielleicht dient der Duft aber auch zur Abschreckung potentieller Fressfeinde und Parasiten. Eine genauere Untersuchung der Ameisen ergab, dass sich insgesamt neun verschiedene Arten in den Nestern der Wegwespen befanden. Am häufigsten war dabei die sehr große und aggressive Ameisenart Pachycondyla astuta, die einen gefährlichen Giftstachel besitzt. Die Wissenschaftler konnten auch erste Hinweise darauf finden, dass die toten Ameisen ihren Zweck erfüllen. Die Larven der „Beinhaus-Wespe“ waren nämlich deutlich weniger von Parasiten befallen als die anderer röhrenbrütender Wespen aus ihrer Nachbarschaft.