Eine Sonderausstellung des Naturkundemuseums im Ottoneum Kassel gibt Einblicke in die einzigartige Welt der achtbeinigen Jäger.
Allein die Vorstellung, eine Spinne berühren zu müssen, löst bei vielen Menschen eine Gänsehaut aus. Dass die achtbeinigen Jäger aber auch äußerst interessante Tiere sind, möchte eine Sonderausstellung mit dem Titel „Faszination Spinnen“ zeigen, die derzeit im Naturkundemuseum im Ottoneum Kassel zu sehen ist und mit vielen lebenden Tieren in Terrarien aufwartet.
Im ersten Ausstellungsraum fällt gleich das beachtlich große Präparat einer Japanischen Riesenseespinne (Macrocheira kaempferi) ins Auge, der größten heute lebenden Art von Gliederfüßern. Auch wenn der Name es vermuten lässt, sind diese Tiere keine Spinnen, sondern gehören zu den Krebstieren. Sie sind, ebenso wie Tausendfüßer und Insekten, nur entfernt mit den Spinnentieren (Arachnida) verwandt, zu denen auch die Spinnen, oder genauer gesagt die Webspinnen (Araneae), gehören. Die sehr vielfältige Verwandtschaft der Spinnen wird in der Ausstellung anhand von Präparaten, Bildern und auch an lebenden Tieren, wie Skorpionen und Geißelspinnen, ausführlich vorgestellt.
Im zweiten Raum der Ausstellung kann man sich auf die Suche nach einheimischen Spinnen machen. In einem Diorama, das einem Kellerraum nachempfunden ist, lässt sich in einem Regal zwischen Weinflaschen und Gummistiefeln ein Terrarium mit einer Hauswinkelspinne (Tegenaria sp.) entdecken. Mit ihrer recht beachtlichen Größe und ihren zum Teil schnellen Bewegungen haben diese Tiere wohl schon zahllosen Menschen in schummrigen Kellerräumen einen Schrecken eingejagt. Hauswinkelspinnen sind für Menschen allerdings völlig harmlos. Ein Regal weiter ist die ebenfalls häufig in Häusern zu findende, feingliedrige Zitterspinne (Pholcus sp.) zu sehen. Ihr deutscher Name leitet sich von den zitternden Bewegungen ab, die sie bei Bedrohung in ihrem Netz hängend vollführt. Dadurch verwirrt sie ihre Feinde, die dann die Konturen der Spinne nicht mehr ausmachen können. Begegnen sich die beiden achtbeinigen Untermieter, so zieht die Hauswinkelspinne meist den Kürzeren und wird zur Mahlzeit der deutlich zierlicheren Zitterspinne. Anschließend werden in der Ausstellung ausgewählte Spinnenarten Afrikas, aber auch einige Skorpione, vorgestellt, darunter die erst 2001 entdeckte Vogelspinne Augacephalus ezendami oder die rostrote Vogelspinne Pelinobius muticus. Dabei werden die Terrarien in einer Savannenkulisse präsentiert.
Im weiteren Verlauf der Ausstellung erfährt man, wie Spinnen ihre Spinnseide herstellen. Dafür besitzen sie bis zu sieben verschiedene Drüsen an ihrem Hinterleib, mit denen sie unterschiedliche Fadentypen produzieren. Je nach Einsatz, beispielsweise für den Kokonbau oder als Sicherheitsfaden, kann eine Spinne so die passende Spinnseide herstellen. Natürlich dient die Spinnseide auch dazu, Netze zu bauen. In einem kurzen Film kann man den kunstvollen Bau eines Spinnennetzes im Zeitraffer bewundern. Doch Spinnen fangen ihre Beute nicht nur in den klassischen Radnetzen, wie man sie oft im Garten entdecken kann; es gibt sehr unterschiedliche und zum Teil äußerst kuriose Jagdmethoden. Vorgestellt werden diese in der Ausstellung an einem drehbaren Holzrad mit Spinnennetz-Optik. Hier erfährt man beispielsweise auf wen die Vampirspinnen (Evarcha culicivora) Jagd machen und dass Kescherspinnen (Deinopidae) tatsächlich mit einem aus Spinnseide gebauten Kescher fliegende Insekten erbeuten. Selbst unter Wasser sind potentielle Beutetiere nicht sicher, denn hier lauert die Wasserspinne (Argyroneta aquatica), die ihre Opfer in einer Luftblase sitzend verzehrt.
Dass Spinnseide nicht nur für Spinnen nützlich ist, kann der Besucher im dritten Raum der Ausstellung lernen. So sollen die dünnen und gleichzeitig äußerst belastbaren Fäden in Zukunft verstärkt in Medizin und Technik Einsatz finden. Spinnseide kann beispielsweise als Grundsubstanz zur Züchtung künstlicher Haut verwendet werden, die dann verletzten Menschen als Hautersatz dienen soll.
Tragische Liebesgeschichten spielen sich im vierten Raum der Ausstellung ab. Hier erfährt man beispielsweise wie Spinnenmännchen balzen, Brautgeschenke (in Form von ordentlich verpackten Beutetieren) übergeben und nach der Paarung vom Spinnenweibchen verzehrt werden. Besonders eindrucksvoll ist ein Video, das die Balz der Pfauenspinne (Maratus speciosus) zeigt. Mit einer ausgefeilten Choreographie aus rhythmischen Bewegungen der Beine und des außerordentlich farbenprächtigen Hinterleibs, versuchen die männlichen Pfauenspinnen die Weibchen zu verführen.
Da Spinnen auf eher kleine Beutetiere spezialisiert sind, stellen sie für den Menschen meist keine Gefahr dar. In der Ausstellung werden jedoch einige der rund zwanzig Spinnenarten vorgestellt, die ein so starkes Gift haben, dass sie auch dem Menschen sehr gefährlich werden können. Die Europäische Schwarze Witwe (Latrodectus tredecimguttatus) ist die giftigste europäische Spinnenart; eine verwandte Art aus Nordamerika (Latrodectus mactans) kann man in der Ausstellung betrachten (doppelt hinter Glas gesichert).
Spinnen haben eine ganze Reihe an Feinden. Viele Tiere verspeisen sie gern; zumindest wenn sie sie entdecken können, denn Spinnen sind Meister der Tarnung und Täuschung. In der Ausstellung werden sowohl die Todfeinde der Spinnen vorgestellt als auch die Tricks, mit denen sich die Achtbeiner vor ihnen zu schützen versuchen. So ahmt beispielsweise die Wespenspinne (Argiope bruennichi) mit ihrer schwarz-gelben Färbung eine Wespe nach, die von potentiellen Fressfeinden meist gemieden wird. Eindrücklich wird gezeigt wie nützlich Spinnen sind. Im Laufe eines Lebens fängt eine Spinne Unmengen an Insekten, darunter auch zahllose Stechmücken und Pflanzenschädlinge, wie etwa Blattläuse. Es lohnt sich also durchaus seinen Garten spinnenfreundlich zu gestalten.
Der letzte Raum der Ausstellung ist einem Regenwald nachempfunden. Pflanzen rahmen die zahlreichen Terrarien ein, die verschiedene Spinnenarten aus Südamerika beherbergen. Zwei der gezeigten Arten sind Theraphosa blondi, die als die größte Vogelspinnenart der Welt gilt, und Ephebopus murinus, die als Skelettvogelspinne bezeichnet wird. Ihr deutscher Name leitet sich wohl von den hellen, an Knochen erinnernden Streifen an den Beinen ab.
Obwohl Spinnen so faszinierende Lebewesen sind, hat etwa jeder zehnte Mensch in Deutschland eine übersteigerte Angst vor ihnen. Diese Angst wird als Arachnophobie bezeichnet. In der Ausstellung wird kurz auf verschiedene Hypothesen zu den Ursachen der Arachnophobie eingegangen. So ist es bis heute unter Wissenschaftlern umstritten, ob es sich um eine erlernte oder um eine angeborene Angst handelt. Überraschenderweise ist die Angst vor Spinnen in vielen außereuropäischen Kulturen aber deutlich weniger weit verbreitet. So ist die Spinne beispielsweise in China und in Mexiko ein Glückssymbol. Auf jeden Fall hat die Furcht vor Spinnen schon viele Filmemacher inspiriert. Und so lassen sich an den Wänden der Ausstellung auch einige Plakate von Horrorfilmen finden, in denen Spinnen eine Hauptrolle spielen.
Insgesamt ist die Sonderausstellung sehr gut gelungen. Sie ist sowohl für Spinnenfreunde als auch für Menschen, die sich vor den achtbeinigen Tieren fürchten, geeignet. Alle Themen werden spannend, aktuell und auf wissenschaftlich hohem Niveau dargestellt. Für Abwechslung sorgen Hörstationen, (wirklich eindrucksvolle) Kurzfilme und Stationen, an denen man mit Hilfe von Lupen Präparate, wie Häutungshüllen oder vollgesaugte Zecken, selbst untersuchen kann. Die zahlreichen lebenden Tiere (hauptsächlich Spinnen, aber auch einige andere Gliederfüßer) sind eine gute Bereicherung der Ausstellung. Schön wäre es gewesen, wenn neben den zahlreichen Vogelspinnen auch mehr Vertreter anderer Spinnenfamilien gezeigt würden. Gut hat uns auch die Einbindung der surrealen und teils humoristischen Spinnen-Zeichnungen des Berliner Künstlers Martin Schmidt gefallen, die überall in der Ausstellung zu entdecken sind. „Faszination Spinnen“ wird noch bis zum 25. April 2014 in Kassel zu sehen sein.