Die einzigartige Ausstellung an der Bad Segeberger Kalkberghöhle erlaubt faszinierende Einblicke in das Leben der Fledermäuse.
Um die nördlichste Höhle Deutschlands zu finden, muss man sich nach Schleswig-Holstein begeben, genauer gesagt, in das zwischen Hamburg und Kiel gelegene Bad Segeberg. Im Inneren des Kalkbergs, einem mächtigen Felsen im Zentrum des Ortes, befindet sich nämlich die Bad Segeberger Kalkberghöhle. Diese Höhle wurde erst 1913 entdeckt und gehört zu den bedeutendsten Überwinterungsquartieren für Fledermäuse in Deutschland. Jedes Jahr verbringen rund 22.000 der Tiere die kalte Jahreszeit im Schutz der Kalkberghöhle. Unweit des Höhleneingangs öffnete im Jahr 2006 eine einzigartige Ausstellung ihre Pforten, Noctalis – Welt der Fledermäuse. Weite Teile dieser Ausstellung sind nahezu dunkel und müssen von den Besuchern mit Taschenlampen, die mitgebracht oder an der Museumskasse ausgeliehen werden können, selbst erforscht werden.
Das Noctalis erstreckt sich über vier Stockwerke, wobei der Rundgang durch das Ausstellungsgebäude im Untergeschoss beginnt. Dort wird der Besucher zunächst mit einem kurzen Film über das Leben der Fledermäuse im Jahresverlauf, der durch beeindruckende Aufnahmen besticht, in die Thematik eingeführt. Das Untergeschoss ist als künstliche Höhle gestaltet, die der Besucher mit seiner Taschenlampe erkunden kann. Auffällig ist die Vielzahl an liebevoll gestalteten Details, wie zum Beispiel die zahlreichen Modell-Fledermäuse an den Wänden, die von aufmerksamen Besuchern entdeckt werden können. Auf den gut gestalteten Ausstellungstafeln erfährt man unter anderem, wie und wo Fledermäuse in Mitteleuropa ihren viermonatigen Winterschlaf abhalten, mit welchen Strategien andere Tiere dem Winter trotzen und welche sieben Fledermausarten in der Bad Segeberger Kalkberghöhle überwintern. Einige Aspekte werden besonders anschaulich präsentiert; so kann man beispielsweise die erstaunlich unterschiedlichen Körpertemperaturen von Fledermäusen während des Fluges und während des Winterschlafs an verschieden warmen Metallplatten erfühlen. Wie überall im Noctalis stehen auch zahlreiche Hörstationen und Videoterminals zur Verfügung, die weiterführende Informationen bereitstellen, zum Beispiel über Höhlenforschung in Bad Segeberg.
Auch das Treppenhaus, über das man in die weiter oben gelegenen Stockwerke gelangt, ist Teil der Ausstellung. Hier erfährt man zum Beispiel etwas über Vampirmythen und die Kulturgeschichte der Fledermäuse. Schwerpunkt im Erdgeschoss des Ausstellungsgebäudes ist das Leben der Fledermäuse während der warmen Zeit des Jahres. Die Ausstellungsräume sind einem nächtlichen Wald nachempfunden, in dem man sich unter anderem über Jagdverhalten und Fortpflanzung von Fledermäusen informieren kann. Auch die Bedeutung von durch den Menschen geprägten Lebensräumen, wie Gärten und Siedlungen, wird hier dargestellt und der Nutzen von Fledermauskästen sowie die fledermausfreundliche Gestaltung von Häusern behandelt. Eine kleine Sonderausstellung erlaubt Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte an Fledermäusen, die in verschiedenen Teilen der Welt stattfinden. Hier erfährt man auch einiges aus dem Alltag der Wissenschaftler, beispielsweise dass man Fledermäuse gut markieren kann, indem man ihre Krallen farbig lackiert.
Das erste Obergeschoss des Noctalis widmet sich in einem großen, runden Raum den vielfältigen Fähigkeiten der Fledermäuse. So kann man hier etwas zur Echoortung, dem Flug und den Sinnesleistungen der nächtlichen Jäger erfahren. Mehrere Computerstationen in einem benachbarten Raum bieten eine Vielzahl weiterführender Informationen.
Im obersten Stockwerk befindet sich das Noctarium, ein Nachttierhaus, in dem die Tageszeit um zwölf Stunden verschoben ist. In einer Reihe kleiner Terrarien kann man hier unter anderem Savannensiebenschläfer (Graphiurus parvus), Kaiserskorpione (Pandinus imperator) und Australische Dickschwanzgeckos (Nephrurus levis) bei ihrem nächtlichen Treiben beobachten. Leider gibt es zu einigen der hier gezeigten Tiere nur relativ wenige Informationen. Das Zentrum des Noctariums bildet ein 60 m² großes Gehege, in dem rund 100 Brillenblattnasen (Carollia perspicillata) leben, fruchtfressende Fledermäuse aus Süd- und Mittelamerika. Trotz des rasanten Tempos, in dem die Tiere umherfliegen, stoßen sie dank ihrer Echoortung nicht zusammen. Es kostet Mühe, den Flug eines einzelnen Tieres zu verfolgen. Im Gegensatz zu den heimischen Fledermausarten halten die tropischen Brillenblattnasen keinen Winterschlaf und lassen sich deshalb deutlich leichter in menschlicher Obhut halten. Die im Noctalis lebende Kolonie stammt ursprünglich aus dem Grzimekhaus des Frankfurter Zoos. Im gleichen Gehege wie die Brillenblattnasen lebt „Foxi Flatterinchen“, ein Indischer Riesenflughund (Pteropus giganteus). Foxi, die flugunfähig ist und von Hand aufgezogen werden musste, bewegt sich viel langsamer als ihre kleinen Verwandten und klettert meist gemächlich durch die Äste im oberen Teil des Geheges.
Alles in allem stellt das Noctalis eine einzigartige Ausstellung dar, die sehr viele verschiedene Aspekte aus der Welt der Fledermäuse fachlich fundiert beleuchtet. Die ganze Ausstellung ist außerordentlich detailverliebt gestaltet und es gibt sehr viel zu entdecken, insbesondere, aber nicht nur, für Kinder. Die oft fehlende Beleuchtung und der stimmungsvolle Einsatz von Geräuschen erzeugen in der Ausstellung eine einzigartige Atmosphäre. Der vielfältige Einsatz von Multimedia sorgt für Abwechslung, wirkt durch die Vielzahl an Angeboten aber zum Teil auch etwas überfordernd. Neben der eigentlichen Ausstellung kann auch die Bad Segeberger Kalkberghöhle im Rahmen einer geführten Expedition besichtigt werden. Um die Fledermäuse nicht bei ihrem Winterschlaf zu stören, ist das allerdings nur während des Sommerhalbjahrs möglich.
Eine tolle Ausstellung; leider sehr weit weg von meinem Zuhause.
Zum Glück wird heutzutage bei Neu- oder Umbauten von Gebäuden auf den Naturschutz geachtet. Ein lobenswertes Beispiel ist der Neuaufbau des Schlosses Sonnenstein in Pirna, Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, bei dem man die alten Fledermausquartiere besonders geschützt umbaut hat.