Forscher haben untersucht, warum sich Libellen bevorzugt an schwarzen Grabsteinen aufhalten.
Man entdeckt Libellen vor allem an Wasserflächen. Die Männchen sitzen in der Ufervegetation langsam fließender oder stehender Gewässer und absolvieren schnelle Flugmanöver, um Rivalen zu vertreiben und potentielle Partnerinnen zu umwerben. Die Weibchen legen ihre Eier am Wasser ab, in dem sich die Larven entwickeln. Erst am Ende des letzten Larvenstadiums verlassen diese das nasse Element und häuten sich ein letztes Mal, um fortan mit vier großen Flügeln durch die Luft zu schnellen. Einige Libellenarten scheinen aber eine merkwürdige Leidenschaft für Friedhöfe zu haben, wie Forscher um Gábor Horváth in der Fachzeitschrift Freshwater Biology berichteten.
Auf einem historischen Friedhof in der ungarischen Stadt Kiskunhalas stießen die Wissenschaftler auf eine ungewöhnliche Begebenheit: Sie beobachteten fünf verschiedene Arten von Heidelibellen (Sympetrum spp.), die sich offensichtlich besonders für bestimmte Gräber interessierten. Sie hielten sich bevorzugt in der Nähe von polierten, schwarzen liegenden Grabsteinen auf. Die Tiere saßen auf den schmiedeeisernen Zäunen der Grabstellen, verteidigten ihre Reviere um die Gräber und berührten die glänzenden Oberflächen der Grabsteine im Flug mit der Unterseite ihrer Körper.
Um herauszufinden, was ausgerechnet diese Grabsteine so attraktiv für die Libellen macht, maßen die Forscher die Reflexionseigenschaften der Steine mit einer speziell ausgestatteten Kamera. Trifft Licht auf eine Oberfläche, kann es anteilig in einer bestimmten Schwingungsrichtung reflektiert werden (Polarisation). Diese Eigenschaft ist für bestimmte Oberflächen sehr charakteristisch. So reflektiert beispielsweise Wasser einen hohen Anteil horizontal polarisierten Lichtes, das von einigen Insekten erkannt werden kann. Auch von Libellen ist bekannt, dass sie die Polarisation von Licht wahrnehmen können. Zusätzlich zu diesen Messungen untersuchten die Forscher in einem Experiment, welche Oberflächen besonders attraktiv auf die Libellen wirkten. Dazu legten sie jeweils zwei Oberflächen flach nebeneinander auf den Boden. Sie verglichen schwarze und weiße (glänzende) Plastikfolie, Aluminiumfolie sowie schwarzen und weißen (matten) Stoff.
Die Kameraaufnahmen machten deutlich, dass die schwarzen liegenden Grabsteine besonders viel horizontal polarisiertes Licht reflektierten. Ähnliche Eigenschaften zeigte auch die schwarze Folie in dem Experiment. Und diese Folie wurde auch von der Mehrheit der Libellen gegenüber den anderen im Versuch eingesetzten Oberflächen bevorzugt. Einige Libellen flogen sogar im typischen Paarungsflug über die Folie.
Wahrscheinlich sorgen die besonderen Reflexionseigenschaften der Grabsteine und der schwarzen Plastikfolie dafür, dass diese Oberflächen von den Libellen mit kleinen Wasserflächen verwechselt werden. Die Libellen scheinen sich also bei der Suche nach Gewässern vorranging anhand des horizontal polarisierten Lichtes zu orientieren. Denn auch wenn auf dem Friedhof keine einzige Wasserfläche vorhanden war, tummelten sich die Libellen dort auf der Suche nach Partnern und geeigneten Eiablageplätzen. Und auch auf anderen Friedhöfen wurde ein solches Verhalten bei Libellen schon beobachtet. So auf dem Jüdischen Friedhof Sopron in Ungarn oder dem Friedhof im brandenburgischen Teichland. Zwar können solche Verwechslungen dazu führen, dass sich einzelne Libellen nicht fortpflanzen können (oder zumindest weniger effektiv, sollten sie später doch noch an ein Gewässer gelangen), trotzdem ist es wohl äußerst unwahrscheinlich, mit der Wahl seines Grabsteines die ansässige Libellenpopulation ernsthaft zu gefährden.
Wegen ihrer skurrilen Fragestellung wurden die Macher der bereits im Jahr 2007 veröffentlichten Untersuchung übrigens von der Jury des satirischen Ig-Nobelpreises mit dem diesjährigen Preis für Physik ausgezeichnet.
Hallo Schemenkabinett, danke für den hochinteressanten Bericht. In einem Artikel einer österreichischen Tageszeitung (den Namen habe ich vergessen) konnte ich im Sommer von Libellen lesen, die ihre Eier auf nassen Holzterrassen mitten in einem Neubaugebiet ablegten, mindestens zwei Kilometer vom nächsten Reproduktionsgewässer entfernt. Man vermutet, daß die Vielzahl von Solarmodulen auf den Dächern in diesem Wohngebiet dies begünstigten.
Das ist sehr interessant. Es gibt einige Berichte von Libellen, die auf bestimmten glänzenden Oberflächen tatsächlich auch Eier ablegen. So wurde beispielsweise ein Libellenweibchen dabei beobachtet, wie es seine Eier auf der Motorhaube eines Autos mit grüner Metalliclackierung ablegte.
Es ist merkwürdig, dass die Libellen die Eier auf dem nassen Holz und nicht auf den Solarmodulen selbst platzieren. Allerdings gibt es einige Libellenarten, die ihre Eier nicht direkt im Wasser, sondern in Senken in der Nähe von Gewässern ablegen (z.B. bestimmte Arten von Heidelibellen). Werden die Eier im kommenden Frühjahr überflutet, schlüpfen die Larven. Vielleicht handelt es sich bei den Libellen in dem Neubaugebiet ja um ebensolche Arten.