In der aktuellen Ausstellung der Kunsthalle Gießen sind faszinierende und verstörende Werke der niederländischen Künstlerin Juul Kraijer zu sehen.
Die Fotografie zeigt den Kopf einer jungen Frau mit feinen Gesichtszügen, um den sich eine muskulöse Schlange windet. Fast wirkt es, als sei das Tier lediglich ein eigenwilliges Accessoire, das ihr Haupt zieren soll. Die Bedrohung, die von der Schlange ausgeht, ist jedoch fast spürbar, wobei der seltsam teilnahmslose Blick der Frau der ganzen Szene einen surreal anmutenden Charakter verleiht. Das Foto ist Bestandteil der aktuellen Ausstellung der 1970 geborenen, niederländischen Künstlerin Juul Kraijer, welche derzeit in der Kunsthalle Gießen zu sehen ist. Es handelt sich um die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin in Deutschland. Neben Fotografien werden auch Zeichnungen, Skulpturen und Videos präsentiert.
Juul Kraijer, die in Rotterdam lebt und arbeitet, behandelt in vielen ihrer Werke die Grenzüberschreitung zwischen Menschen und anderen Lebewesen. Eine besonders großformatige Kohlezeichnung in der Gießener Ausstellung zeigt eine Person, die mit dem Astwerk eines Baumes verschmolzen ist. Die Zweige wachsen mitten aus ihrer Haut heraus, verhüllen ihren Körper und lösen ihre Formen auf. Auf anderen Zeichnungen sind Menschen von zahlreichen kleinen Tieren, wie Fliegen, Fischen oder Fröschen, bedeckt. Sie erinnern an Krankheitssymptome, die den Körper verändern, ohne dass man sich ihrer erwehren kann. Doch auch wenn die Massen von Tieren einerseits sehr bedrohlich erscheinen und die Körper der Menschen regelrecht verschlucken, wirken die Personen doch anderseits so ausdruckslos und beinahe friedlich, als würden sie die Prozedur genießen und in einen Zustand der Meditation geraten.
Juul Kraijer verwendet in vielen ihrer Arbeiten Tiere mit starkem Symbolcharakter. So lässt sich auf ihren Fotografien neben der Schlange, die unter anderem ein Symbol für die Versuchung sein kann, auch eine Eule finden, ein Sinnbild der Weisheit aber auch ein Unglücksbote. Die Eule, es handelt sich um eine Schleiereule, sitzt auf dem Gesicht der jungen Frau mit den feinen Gesichtszügen. Das Modell, bei dem es sich übrigens um Juul Kraijers Assistentin handelt, hat die Augen geschlossen und reckt den Kopf weit nach hinten, sodass ihre Kehle dem Tier scheinbar dargeboten wird. Die kräftigen Krallen der Eule drücken sich sichtbar in ihre empfindliche Mundpartie. Die auf den Fotografien gezeigten Szenen sind keine Montagen, sondern wurden im Atelier der Künstlerin arrangiert; zum Teil unter Anwesenheit eines Tiertrainers.
Fast alle in der Ausstellung gezeigten Werke tragen keinen Titel. Das gilt auch für die Skulpturen; darunter eine bizarr anmutende bronzene Büste. Auf den ersten Blick scheint der Hinterkopf mit Locken bedeckt zu sein. Erst bei näherer Betrachtung erkennt man, dass er stattdessen mit menschlichen Ohrmuscheln übersät ist. Die Künstlerin löst durch die Vervielfältigung der Körperteile ein starkes Gefühl der Befremdung beim Betrachter aus.
In einem kleinen, abgetrennten Raum werden Video-Projektionen gezeigt. Neben zwei Videos mit Naturaufnahmen eines Teiches und eines Waldes ist das von 2007 stammende Video „Inner Eye“ zu sehen, bei dem sich Bilder eines umherblickenden, menschlichen Auges mit Aufnahmen von beispielsweise Flughunden, Insekten- und Vogelschwärmen oder windbewegten Wasseroberflächen abwechseln.
Insgesamt handelt es sich bei der Gießener Juul-Kraijer-Ausstellung um eine faszinierende Werkschau der Künstlerin, der es unter Verwendung ganz unterschiedlicher Medien stets gelingt, phantastische und gleichzeitig verstörende Werke zu erschaffen. Die Ausstellung wird noch bis zum 01. Februar 2015 zu sehen sein.