Zu Besuch in zwei besonderen Museen im rumänischen Klausenburg.
„Colecția de Istorie a Farmaciei“ steht auf dem gusseisernen Aushängeschild am Eingang zum Historischen Apothekenmuseum im rumänischen Klausenburg (Cluj-Napoca), der einstigen Hauptstadt Transsilvaniens bzw. Siebenbürgens. Zwei ältere Herrschaften empfangen uns hinter der Tür, kassieren den Eintritt und führen uns ins Innere des Apothekenmuseums. Ausgerüstet mit dem englischsprachigen Lageplan, welchen wir von den beiden erhalten haben, landen wir in einem schummrig beleuchteten Raum mit Deckengewölbe. Im Gebäude des Museums befand sich seit dem 16. Jahrhundert eine Apotheke und es wirkt so, als würden die Pharmazeuten der vergangenen Jahrhunderte immer noch ab und an die alten Holzschränke öffnen, um aus dem Inhalt der zahlreichen Apothekengefäße heilende Pulver und Salben herzustellen.
Im 20. Jahrhundert wurde aus der alten Apotheke schließlich ein Museum, welches heute zum Nationalmuseum für Siebenbürgische Geschichte gehört. Im Raum mit dem Deckengewölbe wurden einst die Medikamente verkauft. Die Decke ist mit barocken Malereien rund um das Thema Pharmazie reich verziert. Ein ovales Ornament zeigt den Baum des Lebens, um den sich zwei Äskulapnattern, Symbol der Ärzte und Apotheker, winden.
Inmitten des Raumes steht eine Schauvitrine, die getrocknete pflanzliche und tierische Arzneimittel zeigt. Neben „Hyraceum“, einem Mittel aus den Ausscheidungen von Klippschliefern (Procavia capensis), und „Pulvis mumiae verae“, einem Präparat aus zermahlenen Mumien, entdecken wir „Castoreum“, auch Bibergeil genannt. Bibergeil ist ein fetthaltiges Sekret, dass in den Drüsensäcken von Bibern (Castor spp.) gebildet wird und den großen Nagetieren zur Fellpflege und zum Markieren dient. Das getrocknete, bräunliche Sekret wurde gegen Krämpfe und Epilepsie eingesetzt und war bis ins 19. Jahrhundert stark begehrt. Bibergeil wirkt vermutlich durch die enthaltene Salicylsäure (ein Derivat des Schmerzstillers und Entzündungshemmers Acetylsalicylsäure); in der modernen Medizin spielt es aber kaum noch eine Rolle.
Fasziniert gehen wir durch die weiteren Räume des Museums, vorbei an hohen Schrankwänden und Vitrinen, vollgepackt mit Tiegeln und Töpfchen aus Holz, Keramik oder Glas, teilweise leuchtend blau gefärbt und kunstvoll mit den Namen der kostbaren Heilmittel beschriftet. Wir entdecken alte Waagen, medizinische Bücher, Manuskripte und Zeichnungen, sowie allerhand Instrumentarien, wie UV-Lampen und Röntgengeräte, die vom 19. bis ins 20. Jahrhundert im Krankenhaus von Klausenburg Verwendung fanden.
Ein bemalter Schrank aus dem 18. Jahrhundert zeigt auf vier einzelnen Gemälden eine Allegorie des Lebens. Das Kind auf dem Bild links unten sitzt dabei unbekümmert auf einem menschlichen Schädel ohne sich seines zukünftigen Schicksals bewusst zu sein. Vom Erdgeschoss des Museums führt eine sehr steile Holztreppe hinab zum rekonstruierten Kellerlabor. Unten angekommen, schlägt uns in den Räumen mit den dicken Steinwänden kühle Luft entgegen. Steinöfen, Mörser mit Stößeln und Destillationsapparaturen sind zu sehen. Um die Geheimnisse der Heilmittelherstellung zu wahren, hatten hier einst lediglich der Apotheker und seine Assistenten Zugang.
Nach einer guten Stunde verlassen wir schließlich das Historische Apothekenmuseum mit seinen vielen originalen Stücken und reizvollen Räumlichkeiten. Die Ausstellung bietet einen einzigartigen Einblick in die Pharmaziegeschichte Transsilvaniens und in das historische Apothekenwesen im Allgemeinen.
Von einem Museum Transsilvaniens, verschlägt es uns wenige Tage später gleich ins nächste – in Klausenburgs Zoologisches Museum (Muzeul Zoologic). Auf dem Gelände der Babeș-Bolyai-Universität finden wir nach einigem Suchen endlich den etwas versteckten Eingang zum Museum. Die hohe Flügeltür ist fest verschlossen. Ein kleines Schild in rumänischer Sprache fordert uns auf zu klingeln. Ein Mitarbeiter öffnet, nimmt den Eintritt und führt uns schweigend in den ersten Raum, wo der Rundgang beginnt. Dann verschwindet er wieder hinter die Kulissen. Bis auf eine junge Familie, die bereits Richtung Ausgang geht, sind wir allein. Die Sammlung des Museums wurde Mitte des 19. Jahrhunderts begründet und umfasst über 300.000 Präparate.
An einigen der historischen Vitrinen sind Gemälde angebracht, die jeweils passend zur ausgestellten Tiergruppe sind. Dunkelroter Stoff kleidet die Regale der randständigen Vitrinen aus. Darauf stehen sorgfältig ausgerichtet zahlreiche Präparate in Gläsern und auf Sockeln montiert. Wir betrachten die fragilen Skelette von Schwämmen und Korallen und die milchig weißen, langgestreckten Körper der Ringel- und Fadenwürmer. Wie ein Kabel aufgewickelt, liegt einer der Fadenwürmer in einem aufgeschnittenen Stück Gewebe. Es handelt sich um einen parasitischen Hundespulwurm (Toxocara canis; in der Ausstellung als Toxoascaris canis bezeichnet) in einem Hundedarm.
Viele der Vitrinen zeigen Weichtiere, wie Tintenfische, Muscheln und Schnecken. In kleinen Schachteln liegen teilweise angeschnittene Schneckengehäuse, die den Blick auf die gewundenen Umgänge in ihrem Inneren freigeben. Kleine Dioramen zeigen Szenen aus dem Leben verschiedener Insekten, beispielsweise aasfressender Käfer, die auf einem Vogelkadaver sitzen und sich daran gütlich tun.
Fast hätten wir es übersehen: Etwas versteckt unter einer Treppe steht ein präpariertes Kalb mit zwei Köpfen. Eine solche Dizephalie ist eine spezielle Form von siamesischen Zwillingen, bei der sich nur der Kopfbereich der Föten voneinander trennt.
Große Dioramen zeigen Vögel in ihrem natürlichen Lebensraum. Die Tiere stehen dabei aber derart dicht beieinander, dass die Szenerien teils geradezu surreal wirken. So scheinen sich in einem Diorama verschiedenste in Rumänien heimische Greifvögel jeden Moment gemeinsam auf einen mit den Flügeln drohenden Uhu (Bubo bubo) zu stürzen.
Eine Besonderheit in der Ausstellung sind die Weißlinge verschiedener Vogelarten, die auf einer künstlichen Steinpyramide sitzen. Weißlinge entstehen dadurch, dass die Produktion von Melaninen (Farbpigmenten) in den Pigmentzellen der Haut gestört ist (Albinismus) oder aber dadurch, dass ihnen die Pigmentzellen fehlen (Leuzismus). Bei den meisten gescheckten Tieren liegt Leuzismus vor; bei ihnen fehlen nur in einigen Bereichen des Körpers die farbgebenden Pigmentzellen.
Die Mehrheit der historischen Präparate im Zoologischen Museum sind von guter Qualität. Nur einige wirken unfreiwillig komisch, so wie die Fledermaus-Präparate, die, sehr untypisch, mit dem Kopf nach oben auf den Ästen stehen. Das Zoologische Museum in Klausenburg ist ein wunderbares Stück Natur- und Museumsgeschichte. Nach knappen zwei Stunden stehen wir erneut vor der hohen Flügeltür, die mittlerweile abgeschlossen ist. Der Mitarbeiter vom Anfang ist nirgends zu entdecken. Zum Glück gibt es aber ein kleines Schild, das in Piktogrammen beschreibt, wie das Schloss zu entriegeln ist.
Ein wunderschön geschriebener, sehr angenehm zu lesender Einblick, der Lust auf eine Reise macht. Weiter so!