Der Künstler und Biologe Brandon Ballengée verwandelt Frösche mit deformierten Gliedmaßen in bizarre „Reliquien“.
Es scheint, als stammen die Kreaturen aus einer anderen Welt. Ihre transparenten Körper geben den Blick auf das Skelett frei. Einigen scheinen Gliedmaßen zu fehlen, anderen entspringt ein ganzes Bündel Beine dem Hinterleib. Die befremdlich wirkenden Wesen sind Pazifik-Laubfrösche (Pseudacris regilla) mit morphologischen Deformationen, die der US-amerikanische Künstler, Biologe und Umweltaktivist Brandon Ballengée in seinen Werken abbildet. Die Arbeiten sind Teil seines Projekts „Malamp: Reliquaries“, zu Deutsch „Malamp: Reliquien“ (das Kunstwort „Malamp“ steht dabei für „malformed amphibian“, also „missgebildete Amphibie“). In diesen ungewöhnlichen Werken verbindet Ballengée, der sich seit den 1990er Jahren mit Deformationen bei Amphibien beschäftigt, seine wissenschaftliche Forschung mit seiner künstlerischen Arbeit.
Als Ursache für die bizarren Deformationen der Frösche vermutete Ballengée zunächst Pestizide oder Düngemittel aus der Landwirtschaft. Denn mit ihrer dünnen, feuchten Haut nehmen Frösche besonders leicht Umweltgifte auf. Detaillierte Untersuchungen des Phänomens zeigten aber, dass den Deformationen wohl hauptsächlich andere Ursachen zugrunde liegen. So verlieren viele Kaulquappen einzelne Gliedmaßen durch Angriffe von Libellenlarven. Die Hauptursache für das Auftreten zusätzlicher Hinterbeine sind hingegen vermutlich parasitische Saugwürmer der Art Ribeiroia ondatrae. Diese in Nordamerika verbreiteten Parasiten besitzen einen sehr komplizierten Lebenszyklus, bei dem sie nacheinander Wasserschnecken, Frösche und Wasservögel befallen müssen, um sich entwickeln und fortpflanzen zu können. Die schwimmenden Larven der Parasiten dringen dabei in die Körper der Kaulquappen ein, wo sie Zysten bilden und die normale Entwicklung der Gliedmaßen stören. So entstehen Frösche mit zusätzlichen Hinterbeinen, die dadurch zu einer leichten Beute für Reiher und andere froschfressende Vögel werden. Auf diese Weise gelangen die Parasiten in den nächsten Wirt (der Lebenszyklus von Ribeiroia ondatrae wird in diesem Video von National Geographic anschaulich zusammengefasst).
In seinen Werken versucht Ballengée die missgebildeten Frösche, die mit ihren fehlenden oder überzähligen Extremitäten in der Natur nicht überlebensfähig wären, als Abbilder zu bewahren. Er verwendet dazu ein mehrstufiges chemisches Verfahren, wie es auch in der wissenschaftlichen Untersuchung von Skelettdeformationen Anwendung findet. Dabei werden die Gewebe der Tiere zunächst transparent gemacht und ihre Knochen und Knorpel anschließend eingefärbt. Danach fotografiert Ballengée die Frösche mit einem hochauflösenden Scanner und produziert davon großformatige Drucke. Von jedem Tier wird nur ein einziger Druck angefertigt, so dass es sich letztlich um einzigartige Überbleibsel handelt, die an das kurze Leben des Individuums erinnern sollen und somit zu einer Art Reliquie werden. Der jenseitige Charakter der Werke wird auch in ihren Titeln aufgegriffen, die der griechischen und römischen Mythologie entnommen sind. So verweist der Titel „Morpheus“ beispielsweise auf den gleichnamigen griechischen Gott der Träume, der auch mit dem sanften Sterben assoziiert wird.
Boah, krass ist das schon, dass – natürlich – zuerst der Mensch im Verdacht steht und durch Forschung die wahre Ursache heraus kommt.
Eine tolle Aufgabe, der sich Ballengée augenscheinlich mit Herz und Verstand widmet …
Liebe Grüße
Llu ♥