Forscher entschlüsseln das Geheimnis des Landeanflugs von Flughunden und Fledermäusen.
Durch ihre nächtliche Lebensweise bleiben Fledertiere, zu denen die Fledermäuse und die in der Regel etwas größeren Flughunde gehören, dem Menschen meist verborgen. Die hellen Tagesstunden verbringen die Tiere kopfüber an Bäumen oder von Höhlendecken hängend. Um sich so hinzuhängen, müssen sie ihren Landeplatz von unten anfliegen, sich danach im Flug mit dem Kopf nach unten drehen und sich anschließend mit ihren bekrallten Zehen festklammern.
Während der Flug von Insekten und Vögeln relativ gut erforscht ist, birgt der Flug von Fledertieren immer noch Rätsel. So war bislang unklar, wie es den Tieren genau gelingt, sich vor einer Landung blitzschnell in der Luft zu drehen und genug Schwung zu bekommen, um einen Ladeplatz über ihnen zu erreichen, ohne einfach Richtung Boden zu stürzen. Kopfüber können sich Fledertiere nämlich nicht mit Flügelschlägen in der Luft halten, geschweige denn, sich einem Landeplatz nähern.
Um dieses Rätsel aufzuklären, haben Forscher um Attila J. Bergou den Landeanflug von Fledertieren mit Hochgeschwindigkeitsaufnahmen untersucht. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift PLOS Biology. Die Forscher betrachteten den Flug einer Fledermausart, der Brillenblattnase (Carollia perspicillata), sowie einer Art von Kurznasenflughunden (Cynopterus brachyotis). Die Tiere wurden im Labor darauf trainiert, eine kleine Fläche an der Decke anzufliegen. Dort konnten die Hochgeschwindigkeitskameras ihre komplexen Flugmanöver einfangen.
Der genaue Blick auf den Landeanflug der Brillenblattnasen zeigte den Forschern, was passiert, wenn Fledertiere landen. Zunächst fliegt eine Fledermaus geradewegs den anvisierten Landeplatz an. Wenn sie sich diesem nähert, verlangsamt sie ihren Flügelschlag, wodurch ihr Körper in eine Schräglage kippt. Bei der Aufwärtsbewegung der Flügel werden diese an den Körper gezogen und bei der Abwärtsbewegung wieder ausgebreitet. Unter dem Landeplatz angekommen, bewegt die Fledermaus ihre Flügel plötzlich asymmetrisch. Während der Abwärtsbewegung wird ein Flügel eng an den Körper gezogen und der andere ausgebreitet. Dabei vollführt das Tier eine Rolle und dreht sich auf den Kopf. Der eingezogene Flügel zeigt dabei in Richtung Decke und der ausgebreitete in Richtung Boden. Die Drehung folgt dem gleichen Prinzip, mit dem auch Eiskunstläufer ihre Pirouetten beschleunigen, wenn sie die Arme enger an ihren Körper ziehen – eine Verlagerung der Masse in Richtung der Rotationsachse bewirkt eine schnellere Drehung.
Die Wissenschaftler zeigten mit Computermodellen, die den Flug der Fledertiere simulierten, dass die asymmetrische Haltung der Flügel das Gewicht der Tiere so verlagert, dass sie in der Luft eine Rolle machen. Die verhältnismäßig schweren Flügel helfen ihnen dabei so viel Schwung zu bekommen, dass sie sich innerhalb weniger Millisekunden in der Luft drehen, und dass sie – wie es sich für Fledertiere gehört – kopfüber zum Hängen kommen.
Während so eine Landung eine gute Koordination von Flügeln, Körper und letztlich auch Füßen erfordert, ist das eigentliche Kopfüberhängen für Fledertiere keine Herausforderung. Eine besondere Konstruktion der mit den Krallen verbundenen Sehnen sorgt dafür, dass keinerlei Muskelkraft zum Festhalten benötigt wird. So kann es passieren, dass die Tiere selbst nach ihrem Tod nicht von ihrem Schlafplatz herunterfallen.
Dieses kurze Video zeigt, wie eine Brillenblattnase beim Landeanflug asymmetrische Bewegungen ihrer Flügel nutzt, um sich blitzschnell kopfüber zu drehen, bevor sie wieder abfliegt. Links: Kameraaufnahmen, rechts: Computersimulation. (Video: Attila J. Bergou et al.; CC-BY-4.0-Lizenz)