Die Fäkalien von Fledermäusen sind für eine Kannenpflanzenart aus Borneo äußerst vorteilhaft.
Die fleischfressenden Kannenpflanzen (Nepenthes spp.) fangen Insekten und andere kleine Tiere mit zu kannenförmigen Fallen umgestalteten Blättern. Doch nicht für alle Arten dieser tropischen Pflanzen bilden Insekten die Hauptnahrung. Manche ernähren sich von den Fäkalien insektenfressender Säugetiere. So wie die Art Nepenthes hemsleyana, die ausschließlich in tropischen Regenwäldern auf Borneo wächst. Dort kommt auch die zur Familie der Glattnasen gehörende Fledermausart Kerivoula hardwickii vor. Diese ernährt sich von kleinen Insekten und sucht gerne die Fallen der besagten Kannenpflanze auf. Aber nicht, um etwa Insekten zu stibitzen, die in die Fangflüssigkeit der Fallen geraten sind, sondern um zu rasten. Die Kannenpflanzen haben sich auf ihre fliegenden Gäste gut eingestellt. So sind die Kannen recht lang und schmal und besitzen eine weite Öffnung. Auch befindet sich in den Kannenfallen nur wenig Fangflüssigkeit. Dadurch bieten sie in ihrem Inneren genug Platz für müde Fledermäuse. Und damit die fliegenden Säugetiere die Kannen zwischen den anderen Pflanzen im Regenwald besser finden können, besitzen sie eine speziell geformte Struktur, die die Ortungslaute der Fledermäuse besonders effektiv zurückwirft. Wenn eine Fledermaus in der Falle rastet, fällt ihr Kot ganz zwangsläufig hinein und versorgt die Kannenpflanze so mit Nährstoffen.
Durch ihre Anpassungen an die ungewöhnlichen Untermieter, wie den geringeren Füllstand der Fangflüssigkeit, fängt die Pflanze allerdings deutlich weniger Insekten als ihre rein fleischfressenden Verwandten. Bringt diese Art der Ernährung dennoch Vorteile für die kotfressende Kannenpflanze oder wäre eine reine Insektenkost besser? Mit Experimenten im Freiland und im Gewächshaus gingen die Wissenschaftlerin Caroline R. Schöner und ihre Kollegen dieser Frage nach. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Journal of Ecology. Für ihre Untersuchungen fütterten sie die Kannenpflanzen entweder mit Fledermauskot, mit Insekten oder mit einer Mischung aus beidem. Die Fallen einiger Pflanzen verschlossen sie auch gänzlich, sodass weder Insekten noch Fledermäuse in die Kannen gelangen konnten. Um zu sehen, wie die Pflanzen auf die unterschiedliche Kost reagieren, maßen sie Wachstum, Nährstoffgehalt und Photosyntheseleistung.
Die mit Fledermauskot oder mit einer Kombination aus Kot und Insekten verköstigten Kannenpflanzen gediehen in den Experimenten besonders gut. Die ausschließlich mit Insekten gefütterten Pflanzen wuchsen hingegen nur sehr langsam; lediglich die Ungefütterten schnitten noch schlechter ab. Einige der nur mit Insekten gefütterten Pflanzen starben sogar während des Versuchs ab. Auch der Nährstoffgehalt und die Photosyntheseleistung war bei den Pflanzen, die ausschließlich oder teilweise Fledermauskot erhielten, deutlich höher. Die Pflanzen, die nur mit Insekten gefüttert wurden, litten also anscheinend unter Nährstoffmangel. Kannenpflanzen einer rein insektenfressenden Art (Nepenthes rafflesiana), welche die Wissenschaftler den gleichen Experimenten unterzogen, wuchsen hingegen am besten, wenn sie ausschließlich Insekten erhielten.
In den Regenwaldböden Borneos steht nur wenig Stickstoff zur Verfügung. Fleischfressende Pflanzen erhalten diesen für Pflanzen sehr wichtigen Nährstoff dadurch, dass sie Insekten fangen und verdauen. Die kotfressende Kannenpflanze N. hemsleyana hat sich jedoch offensichtlich noch stärker spezialisiert und ernährt sich hauptsächlich von stickstoffreichem Säugetierkot. Die Fledermäuse übernehmen also den Verdau der Nahrung. Und ganz offensichtlich profitieren die Kannenpflanzen davon, denn die Experimente zeigen, dass die Nährstoffe aus dem Kot sehr effizient von den Kannenpflanzen aufgenommen und verwertet werden. Ihre Vorliebe für Fäkalien ist anscheinend so vorteilhaft, dass die Kannenpflanzen sogar in Kauf nehmen, durch ihre Anpassungen deutlich weniger Insekten zu fangen.