Monokulturen von Mais haben für die selten gewordenen Feldhamster verheerende Auswirkungen.
Mit dem Mais (Zea mays) kam eine seltsame Krankheit nach Europa, die als Pellagra bezeichnet wurde. Mais war erst nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus in die alte Welt gelangt und das Getreide fand dort rasch Verbreitung in der Landwirtschaft. Zwischen 1735 und 1940 verursachte der Verzehr von Mais in Europa und Nordamerika allerdings geschätzte drei Millionen Todesopfer. Ursache dafür war ein, durch eine sehr einseitige Ernährung mit Mais bedingter, Mangel an Vitamin B3 (Nicotinsäure) und der Aminosäure Tryptophan, einer Vorstufe dieses Vitamins. Die Form, in der Vitamin B3 in Maiskörnern vorliegt, kann vom menschlichen Körper nämlich nicht verstoffwechselt werden. Die Vitaminmangelerkrankung Pellagra verursacht unter anderem Durchfall, Hautentzündungen und Demenz. Werden dem Körper die fehlenden Nährstoffe nicht anderweitig zugeführt, endet die Erkrankung tödlich. Bereits im 18. Jahrhundert wurde vermutet, dass ein hoher Maiskonsum für die Todesfälle verantwortlich sein könnte. Jedoch nahm man an, dass der Mais beispielsweise verschimmelt oder giftig war. Die unzähligen Pellagra-Erkrankten landeten in Krankenhäusern und Nervenheilanstalten.
Heute sind die physiologischen Zusammenhänge weitestgehend bekannt und man versucht, eine übermäßig einseitige Ernährung mit Mais zu vermeiden. Mais-Monokulturen stellen jedoch viele Tiere, die diesen Lebensraum bewohnen, vor ganz ähnliche Probleme. Feldhamster (Cricetus cricetus) leben auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und sind in Europa stark bedroht. So machen unter anderem Pestizide und stark wechselnde Nahrungsverfügbarkeit den Nagetieren zu schaffen. Feldhamster graben Gänge in den Boden und legen Nahrungsvorräte in speziellen Kammern an. Noch in den 1950er Jahren waren die Tiere in einigen Regionen Europas so häufig, dass sie als Schädlinge galten und bekämpft wurden. Welchen Einfluss Monokulturen auf die selten gewordenen Feldhamster haben, untersuchten Mathilde L. Tissier und Kollegen nun in einer Studie. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B. Die Forscher setzten in Käfigen gehaltene Feldhamsterweibchen auf eine Diät, die der in Monokulturen verfügbaren Nahrung nachempfunden war und entweder hauptsächlich aus Weizen oder aus Mais bestand. Davon konnten sie so viel fressen, wie sie wollten. Zusätzlich bekamen sie entweder eine kleine Menge Klee oder Regenwürmer. Die Wissenschaftler untersuchten, was passierte, wenn die einseitig gefütterten Hamsterweibchen Junge bekamen. Sie nahmen Zahl und Gewicht der Jungtiere auf und untersuchten das Hormon Oxytocin bei den Müttern, welches unter anderem das soziale Verhalten zwischen Mutter und Kind positiv beeinflusst.
Die Ernährung in dem Experiment hatte dramatische Auswirkungen auf die Vermehrung der Feldhamster. Auch wenn die Anzahl der geborenen Hamsterjungen unabhängig von der Ernährungsweise ihrer Mütter war, wurde ihre Überlebensrate stark von dieser beeinflusst. Wenn die Hamstermütter eine Ernährung mit Weizen und Klee, mit Mais und Klee oder mit Mais und Regenwürmern erhielten, begannen die ersten Jungtiere schon kurz nach der Geburt zu versterben. Weniger als zwölf Prozent der Jungtiere überlebten 30 Tage lang. Lediglich bei einer Ernährung mit Weizen und Regenwürmern hatten nach 30 Tagen nahezu alle Jungtiere überlebt.
Die Hamstermütter mit der Weizen-Klee-Ernährung bekamen ihre Jungen im Nest, blieben aber nur etwa sieben Tage lang bei ihnen und kümmerten sich dann nicht mehr um sie. In diesem Alter sind die Jungtiere noch lange nicht selbstständig und so wuchsen sie immer langsamer und verstarben nach und nach. Auch der Oxytocin-Spiegel der Mütter nahm ab. Ein Proteinmangel, verursacht durch die einseitige Ernährung mit Weizen und Klee war vermutlich die Ursache für das dramatische Ergebnis. Den Jungtieren, deren Mütter mit Mais gefüttert wurden, erging es allerdings noch schlechter. Die Mütter gebaren ihre Jungen nicht im Nest, sondern verteilten die Neugeborenen über den Käfigboden. Danach trugen sie ihre Jungen in die Kammer mit den Nahrungsvorräten, wo sie sie eines nach dem anderen auffraßen. Nur eine der Mütter war dazu in der Lage, ihre vier Jungen zu versorgen. Nach 34 Tagen fraßen jedoch die beiden männlichen Jungtiere ihre weiblichen Geschwister bei lebendigem Leibe auf. Der Oxytocin-Spiegel der Hamsterweibchen war bei der Mais-Ernährung jedoch nicht auffällig niedrig. Die Ursache für das Verhalten der Mütter war in diesem Fall also offenbar keine hormonelle Störung der Mutter-Kind-Bindung. Vielmehr lag wahrscheinlich eine Beeinflussung des Gehirns vor, bei der Demenz-ähnliche Zustände auftraten. In einem zweiten Experiment verabreichten die Wissenschaftler einigen Hamstern, welche die Mais-Ernährung erhielten, einen Zusatz an Vitamin B3. Dieses glich den Mangel aus und führte dazu, dass sich die Mütter um ihre Jungen kümmerten und diese großzogen.
Es ist bekannt, dass an Pellagra erkrankte Menschen oftmals auch an psychischen Störungen leiden. Das liegt wahrscheinlich an dem Mangel an Tryptophan. Diese Aminosäure wird vom Körper in Serotonin umgewandelt, welches die Stimmung aufhellt und Depressionen lindert. Ein hoher Maiskonsum wird übrigens auch beim Menschen mit einer Häufung von Morden, Suiziden und Kannibalismus in Verbindung gebracht. Auch wenn Kannibalismus bei Feldhamstern durchaus nicht ungewöhnlich ist, zeigt das Experiment doch, unter welch starkem Stress die Tiere stehen, wenn ihre Ernährung nicht ausgewogen ist. Und es liefert auch wichtige Hinweise darauf, warum diese possierlichen Tiere in Europa so selten geworden sind.
Ein, wie immer, gelungener Artikel. Es ist nur sehr schade, dass solche drastischen Erkenntnisse nicht auf den Titelseiten der Tageszeitungen zu finden sind, denn der Rückschluss, der sich daraus auf unsere Agrarlansdschaft ziehen lässt, ist gravierend.
Es sind in der Tat drastische Ergebnisse. Und Feldhamster sind vermutlich nicht die einzigen dort lebenden Tiere, die unter Nährstoffmangel leiden.
Nicht nur Feldhamster, um die es mir besonders leid tut, sondern auch die Feldhasen gehen mit den Monokulturen zugrunde. Dank den Grünen für ihre nicht zu Ende gedachte Politik. Jeder Bauer bekommt Riesenzuschüsse für Bio-Gasanlagen, produziert nur entsprechend Hülsenfrüchte (meistens Mais); Fruchtfolge schon lange vergessen. Was passiert mit dem Schlamm, der in der Biogasanlagen übrig bleibt? Dieser wird verklappt, hier in Nordrhein-Westfalen in die Wäldern des Sauerlandes.