Ein stabiles soziales Netzwerk kann für bluttrinkende Fledermäuse überlebenswichtig sein.
Vampirfledermäuse haben es auf warmes Blut von Vögeln und Säugetieren abgesehen und schleichen sich nachts an ihre schlafende Beute heran. Auch Menschen werden manchmal zu Opfern der geflügelten Säugetiere. Schilderungen früher Naturforscher und Reisender über die, nur auf dem amerikanischen Doppelkontinent verbreiteten, Vampirfledermäuse waren oftmals stark übertrieben und berichteten, wie Menschen regelrecht blutleer gesaugt wurden. Zwar ernähren sich die Tiere tatsächlich ausschließlich von dem roten Lebenssaft, sind aber viel zu klein, um ihre Beute durch den Blutverlust zu töten. Und erst als die Biologie dieser „blutrünstigen“ Tiere genauer untersucht wurde, erkannte man, dass insbesondere der Gemeine Vampir (Desmodus rotundus) ein sehr ausgeprägtes Sozialverhalten besitzt. Gemeine Vampire leben in Gruppen und füttern oftmals hungernde Tiere, die kein Glück bei der Nahrungssuche hatten, mit hochgewürgtem Blut. Die engste und stabilste Beziehung haben dabei Weibchen zu ihren Töchtern. Die Unterstützung genetisch nah verwandter Individuen ist evolutionär sinnvoll und ein sehr häufiges Phänomen in der Natur. Bei Gemeinen Vampiren pflegen aber auch nicht verwandte, vor allem weibliche Tiere in einer Gruppe oftmals enge Freundschaften, bei denen sich zwei Tiere regelmäßig gegenseitig putzen und füttern. Doch warum sind Freundschaften zwischen nicht verwandten Tieren wichtig für die Vampirfledermäuse?
Forscher um Gerald G. Carter untersuchten dies in einem Experiment mit einer Gruppe Gemeiner Vampire, in der einigen hungrigen Weibchen ein jeweils sehr enger Bezugspartner als Blutspender entzogen wurde (indem dieser entweder wegesperrt oder nicht gefüttert wurde). Und so etwas passiert in freier Wildbahn durchaus häufiger: Es kommt regelmäßig vor, dass ein enger Bezugspartner in einem anderen Unterschlupf schläft oder, dass mehrere Tiere bei der Nahrungssuche nicht erfolgreich sind und kein Blut zum Teilen haben. Die Forscher schauten, wer den hungrigen Fledermausweibchen in dem Experiment aushalf und ob die Tiere befreundet waren. Mit genetischen Untersuchungen ermittelten sie den jeweiligen Verwandtschaftsgrad der Tiere. Die Ergebnisse der Experimente sind in der Fachzeitschrift Biology Letters nachzulesen.
Ohne ihren engen Bezugspartner waren die Fledermausweibchen auf nicht näher verwandte Gruppenmitglieder angewiesen, um keinen Hunger zu leiden. Ein gutes soziales Netzwerk zahlte sich aus: Hatten die Weibchen zuvor viele Freundschaften geknüpft, bekamen sie in ihrer Notlage von diesen Tieren Nahrung. Hatten die Weibchen hingegen weniger Freunde, bekamen sie auch weniger Blut. Für Vampirfledermaus-Weibchen lohnt es sich also, nicht alles auf eine Karte zu setzen und stattdessen in viele Freundschaften zu investieren. Freundschaften aufzubauen ist auch für Vampirfledermäuse aufwändig und braucht eine gewisse Zeit; gerät ein Tier aber in eine kritische Situation, sind Freunde einfach unersetzlich.