Fabelwesen, Attraktionen und nahe Verwandte – eine Ausstellung in der Leipziger Bibliotheca Albertina dokumentiert, wie Menschenaffen über die Jahrhunderte in Europa wahrgenommen wurden.
Vierzehn Gesichter verschiedener Menschenaffen blicken den Besucher im Ausstellungsbereich der Bibliotheca Albertina, dem Hauptgebäude der Universitätsbibliothek Leipzig, entgegen. Im Zentrum dieser historischen Affenportraits befindet sich ein Spiegel, der den Betrachter inmitten seiner tierischen Verwandten platziert. Es ist frappierend, wie menschenähnlich die Gesichtsausdrücke der Affen wirken. Auch wenn mittlerweile Vieles über die Biologie der in Afrika (Gorillas, Schimpansen) und Südostasien (Orang-Utans) lebenden Menschaffen bekannt ist, waren die Tiere in Europa lange äußerst rätselhafte und kaum verstandene Wesen. Die Geschichte dieser europäischen Perspektive auf die Menschenaffen wird nun in der Leipziger Ausstellung „Unheimliche Nähe. Menschenaffen als europäische Sensation“ dargestellt.
In der frühen Neuzeit wurden Beschreibungen von Affen noch vielfach mit Legenden von sagenhaften Kreaturen, wie Satyrn, oder mit Berichten über Menschen mit übermäßiger Behaarung vermischt. Ein aufgeschlagener Band der „Geschichte der Tiere“ des italienischen Naturforschers Ulisse Aldrovandi aus dem Jahr 1637 zeigt links die naturgetreue Darstellung eines Kapuzineraffen aus Südamerika, rechts hingegen ein unheimliches Wesen, das einem Menschen ähnelt. Tatsächlich sind viele frühe Darstellungen von Menschenaffen übertrieben menschenähnlich. Die Tiere wurden oft auf zwei Beinen stehend dargestellt, häufig mit einem Stock in der Hand, der wie ein Wanderstock oder eine Krücke wirkt.
Ab dem späten 18. Jahrhundert wurden immer mehr Menschenaffen nach Europa gebracht. Ein großer Teil von ihnen überlebte aber bereits den Transport nicht und viele andere starben schon nach kurzer Zeit auf Grund von ungeeigneten Haltungsbedingungen. Trotzdem konnten Wissenschaftler viele neue Erkenntnisse über die Tiere sammeln. Insbesondere der Körperbau, aber auch das Verhalten der Menschenaffen wurden untersucht und beschrieben. Die Ausstellung präsentiert Zeichnungen eines Orang-Utans von Heinrich Leutemann, einem Tiermaler, der seit 1850 in Leipzig tätig war. Die Bilder zeigen präzise verschiedene Verhaltensweisen des Tieres, sollen Leutemann zufolge aber auch seine „dämonische Natur“ belegen.
Die ersten lebenden Menschenaffen waren große Attraktionen in Zoos und Tierschauen, wie verschiedene historische Zeitungsartikel in der Ausstellung dokumentieren. Einige von ihnen wurden geradezu zu Berühmtheiten, so beispielsweise der ab 1876 in Berlin ausgestellte Gorilla „M’Pungu“ oder die Schimpansin „Sally“, welche von 1883 bis 1891 im Londoner Zoo lebte.
Insgesamt bietet die relativ kleine Ausstellung einen eindrücklichen und vielfältigen Einblick in die historische Wahrnehmung der Menschenaffen in Europa. Neben vielen originalen Büchern können auch zwei kurze Videos angeschaut werden und über einen Lautsprecher lassen sich historische Textpassagen hören. Ein paar allgemeine Erläuterungen zur Biologie, Verbreitung und Entdeckungsgeschichte der Tiere hätten die historischen Abbildungen und Texte allerdings besser zugänglich gemacht. Die ungewöhnliche und sehenswerte Ausstellung, zu der auch ein umfangreicher Katalog von Mustafa Haikal erschienen ist, wird noch bis zum 25. September 2016 in Leipzig gezeigt.
Eine wirklich interessante Ausstellung! Meine Frau und ich haben sie uns während des WGT angesehen. Eigentlich mehr aus Verlegenheit, weil wir aufgrund von Regen nicht wussten, wie wir den Nachmittag verbringen sollen. Da hat es uns dann in diese Ausstellung verschlagen und es hat sich auf jeden Fall gelohnt!
Ach ja, ich habe auch zu diesem Artikel einen Link bzw. ein Thema im „Dunklen Leben“ eingestellt.
Freut uns, dass dir die Ausstellung auch gefallen hat. Es ist wirklich äußerst spannend zu sehen, wie sich die Wahrnehmung der Menschenaffen im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat.
Und danke für die Erwähnung im „Dunklen Leben“. :-)